Die einen nennen es „skandinavische Gelassenheit“, die anderen bezeichnen das PhĂ€nomen, dem man auf Spitzbergen ĂŒberall begegnet, mit „arctic time“. Trotz der Tatsache, dass der Spitzbergen-Archipel in der gleichen Zeitzone wie Deutschland liegt, scheint es eine gewisse Verschiebung, Dehnung und Raffung der Zeit zu geben. Je nachdem, mit wem man zu tun hat, verhĂ€lt sich die Zeit unterschiedlich. Das alles klingt bestimmt verwirrend. Willkommen in der Arktis!

Wer straffe ZeitplÀne gewohnt ist, eindeutige Terminzusagen möchte oder einfach nur nach einem groben Zeitrahmen fragt, der sollte folgende Faustformel beherzigen:


Nach dieser Formel berechnet sich die voraussichtliche Dauer von AktivitÀten.

Formel fĂŒr die "Arctic Time"

30 Minuten ist die Standard-Zeiteinheit auf Spitzbergen. Alles hier dauert 30 Minuten, unabhĂ€ngig davon, wieviel Zeit im Rest der Welt verstreicht. Die Antwort auf die Frage „Wann geht es los?“ wird also stets „In 30 Minuten!“ sein. Wenn jemand, und das kommt selten vor, mit „In 15 Minuten!“ antwortet, dann wird er diese Aussage erfahrungsgemĂ€ĂŸ noch mehrfach wiederholen.

In unserer Formel ist also 30 Minuten der Ausgangswert fĂŒr alle Berechnungen und wird fĂŒr a eingesetzt. Zu diesem wird dann ein kompliziertes Geflecht aller möglichen Unbekannten und teilweise Bekannten, NĂ€herbaren und frei Interpolierbaren addiert – auch bekannt als „Spitzbergen-Algorithmus“.
Beherzigt man diese Faustformel, dann ist man stets im Bilde darĂŒber, wann etwas stattfindet und wieviel Zeit man noch hat, um sich auf das Ereignis vorzubereiten.

Am Ende lĂ€uft es immer auf eines hinaus: Ein unbestimmter Zeitraum verstreicht, man wartet und dann geht es von jetzt auf gleich los. Sobald der Zeitraum, auf Spitzbergen „arctic time“ genannt, verstrichen ist, bricht Hektik aus und alles muss schnellstmöglich erledigt werden.
Anhand eines kurzen Beispiels lÀsst sich das vielleicht verdeutlichen:
Wenn nach langer Wartezeit plötzlich und völlig unerwartet um 23 Uhr eine Schiffsladung Asphalt ankommt, mit dem die wenigen Straßen-Kilometer der Insel ausgebessert werden sollen, kann keine Sekunde mehr ungenutzt verstreichen. UnverzĂŒglich rĂŒcken Bauarbeiter mit einer mobilen Straßenausbesserungskolonne an, positionieren ihre Bagger, Laster und Planierraupen und machen Schlaglöchern und FrĂ€skanten den Garaus. Aufgehört wird erst, wenn alles fertig ist – und das kann im Zweifel auch erst am nĂ€chsten Morgen um sechs Uhr in der FrĂŒh der Fall sein.

Die Straßen von Longyearbyen werden mitten in der Nacht frisch asphaltiert

Frischer Asphalt fĂŒr die Straßen Longyearbyens - mitten in der Nacht

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2 Kommentare zu “Arctic Time oder „Unser Kampf mit dem arktischen ZeitphĂ€nomen“”

  1. Andreas sagt:

    Hoho,
    auf so einen großartigen Artikel muss man erst mal kommen. Respekt mein Lieber, Respekt! Das schafft nicht jeder.

    Mehr davon, am Besten ĂŒber EisbĂ€ren, EisbĂ€renfelle und Frittenbuden auf Spitzbergen. Ich freue mich schon.

  2. […] euch ruhig noch etwas um, er fĂ€hrt nicht sofort und ruft euch dann.“ Was das zu bedeuten hat, wissen wir ja. ErwartungsgemĂ€ĂŸ fĂ€llt unsere großzĂŒgig geplante Pause in Moskushamn mit einem ausfĂŒhrlichen […]