Über eine Woche sind wir nun schon unterwegs in Diabas und Sassen. Eine Woche fernab der Zivilisation, eine Woche ohne Termine. Eine Woche ohne Erfolgsdruck, eine Woche ohne gesellschaftliche Zwänge.

Eine Woche Freiheit!

Über unsere Entscheidung loszulaufen sind wir heilfroh. Die schweren Rucksäcke, das inzwischen doch überwiegend usselig nasskalte Wetter und die Pulver-Wasser-Eintopf-Ernährung aus Trekking-Tüten – wir lieben es. Denn ohne diese Dinge kämen wir wohl nicht in den Genuss der ultimativen (arktischen) Gelassenheit und der Eindrücke, die auch im Nachhinein noch das Potential haben, einen in sprachloses Staunen zu versetzen.

In den letzten Tagen Wachphasen haben wir die Gegend am Diabasodden erkundet: Das Tal Wimlandalen und der Mini-Gipfel des Hattens ganz in der Nähe bis hin zum etwas weiter entfernt liegenden Tal Konusdalen – mal mit mehr, mal mit weniger Nebel.
Wir sind ein klein wenig verwundert, wie viele Vögel wir noch bei ihren waghalsigen Flugmanövern beobachten können. Stundein stundaus schweben sie auf Kopfhöhe über die schroffe Landschaft (und weichen erst im letzten Moment aus, man könnte meinen sie seien verwundert, dass dort plötzlich jemand im Weg steht), stürzen sich die hohen Klippen hinab, um nur Zentimeter über der Wasseroberfläche wieder zurück zu fliegen, damit das Spiel von vorne beginnen kann.

Für den Aufbruch zu unserem nächsten geplanten Lagerplatz im Carolinedalen haben wir uns den optimalen Tag ausgesucht:

Wir sehen einen blauen Streifen am Himmel!

So kommt es, dass wir tatsächlich uns noch völlig unbekannte Dinge sehen; jetzt, wo die Luft wieder klar ist. Und uns wird auch etwas klar: Es hat einen Grund, dass der tiefhängende Nebel weg ist. Wind.
Dass es Westwind (zur Erinnerung, in dieser Richtung sind wir gerade unterwegs) ist, muss vermutlich nicht extra erwähnt werden. Wir kämpfen tapfer gegen die Böen an und fragen uns, was wohl das größere Problem ist: Dass der Wind die Muskulatur der Beine ruckzuck auskühlt, oder dass man auf der offenen Küstenfläche mit einem großen Rucksack eine zu große Angriffsfläche für den Wind bietet. Zu einem schlüssigen Ergebnis kommen wir aber leider nicht.

So anstrengend der Weg hierher auch war, ein Blick ins Carolinedalen macht deutlich, dass wir an Schlafsack und Kocher noch keinen Gedanken verschwenden brauchen.
Dass das Tal recht düster ist, hatten wir schon im Gespräch mit den Guides auf dem Campingplatz erfahren. Aber das ist nicht alles. Auch hier, ein gutes Stück weg von der Küste, ist es kein bisschen windstill(er). Eine echte Alternative zu diesem Lagerplatz gibt es nicht, schließlich wollen wir am nächsten Tag zeitig über den Pass ins Louisdalen. Nehmen wir es also, wie es ist…
Ging der Lageraufbau sonst immer erfreulich zügig, weil jeder seinen Teil erledigt hat und im Nu alles fertig war, dauert es diesmal. Zeltplane, Säcke und Beutel, Bärenwarnanlage und Kocher: Alleine unmöglich, alles muss nacheinander gemeinsam aufgebaut werden.

Die Strapazen haben sich jedoch mehr als gelohnt. Kaum ist alles geschafft und wir liegen im Geiste schon ausgestreckt im Zelt und warten darauf, dass wir unsere Becher mit heißem Wasser aus dem Kochtopf füllen können, zeigt uns das Wetter, dass es eigentlich gar nichts Böses will.

Das Lager direkt am Fjord war schon eine Wucht – aber dieser Sonnenuntergang schlägt alles! Wenig später lässt auch noch der Wind nach und wir wissen wieder, warum wir all das auf uns nehmen. Nie wieder *) werde ich ein böses Wort über das Wetter verlieren. Wie konnte ich nur. Es ist… ein Traum.

Wir kommen zu Ruhe und vergleichen unsere geplante Route auf der Karte mit der Realität. Ein Blick auf die Karte. Ein Blick in Richtung der steilen Wand im Südwesten. Verunsicherung macht sich breit. Da rauf? Sicher? Na das kann ja heiter werden…

*) Ist schon irre, was so ein paar Sonnenstrahlen auslösen können. Das nächste Fluchen über Wind, Schnee und Frost hat natürlich nicht lange auf sich warten lassen.

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